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Das
Leben ist zu kurz für schlechte Filme
Es begab sich im Jahre des Herren 1989, dass eine kleine
Gruppe todesmutiger Filmenthusiasten in Berlin-Kreuzberg loszog, die Welt
zu retten. Zu lange hatten schmierige Typen schlechte Filme in deutsch
synchronisierter Fassung unter die Leute gebracht, zu oft reichten Videotheken-Sortimente
von Hollywood bis Hollywood (und nicht wesentlich weiter, abgesehen vom
eingestreuten Porno oder der obligaten Thomas Gottschalk-Mike Krüger-"Komödie").
Deshalb gründeten die jungen SuperheldInnen der
Filmkultur die beste, kleinste Videothek der Welt in der Zossener Strasse
in Berlin-Kreuzberg. Im Verleih: Englischsprachige Videos, Musik-Videos,
das Off-Kino querbeet und auf Band. Wenig später wurden die Räume
schon zu klein und ein Umzug in die benachbarte Mittenwalder Strasse (in
die ehemaligen Räume einer Eckkneipe) nötig. Da ist das Videodrom
noch heute. Doch ansonsten änderte sich in zehn Jahren sehr
viel. Das ständig wachsende, ach wucherne Filmangebot des Verleihs
erreicht die 15.000er Marke. Darunter sind heute neben Trash, Dokus, Kunst
und Underground auch TV-Serien (X-Files, Avengers und ein komplettes Star
Trek-Angebot), asiatisches Kino oder schwul-lesbische Produktionen. Aber
auch Mainstream-Streifen, die dank hervorragender Geschäftsbeziehungen
in die ganze Welt (und der eher fragwürdigen Arbeit deutscher Film-Verleiher)
oft vor dem Kino-Start auf Tape verfügbar sind. Dass sich im "Filmarchiv
Videodrom" auch zahllose unveröffentlichte Meisterwerke befinden,
hat schon manchen Kunden vom Gelegenheitsbesucher zum Stammkunden gemacht.
Neben dem Videoverleih ist das Videodrom inzwischen auch
Anlaufpunkt für konsumlustige FilmfreundInnen geworden. Schon früh
hatte der Versandhandel Freaks und Fans im In-, Aus- und Flachland mit
Filmmagazinen, Comics, Literatur zur Popkultur, Merchandise und natürlich
Videos, Laserdiscs und (heute auch) DVDs versorgt. Seit Januar 1996 gibt
es dann auch noch das Basement als Direktverkaufsstelle und "Medienkaufhaus
Supreme": Was es da nicht gibt, lässt sich problemlos bestellen.
Ob Verleih, Versand oder Verkauf - das Videodrom hat
sich immer auch den schrägen, abseitigen, ungewohnten Themen und Filmen
gewidmet. Der Enthusiasmus zeigte Früchte - lange, bevor es hip war,
zelebrierte das Videodrom das asiatische Kino zwischen Anime, John Woo
und Beat Takeshi Kitano. Aber man kann mit ungewöhnlicheren Streifen
auch Probleme bekommen. Die bedingungslose Liebe zu Kino, Subkultur und
Kunst wird nicht immer richtig verstanden. Die Berliner Behörden witterten
im Herbst 1999 jedenfalls Schmutz und Schund und Gefahr im Verzug: Der
alte Videodrom-Slogan "widerliche Filme für widerliche Leute" kurbelte
offenbar die Phantasien an. Doch die angeordnete Schließung hielt
nicht lange dem Druck von (prominenten) Kunden und Medien stand. Ein Glück
für die Freunde des Videodroms und das Geschäft selbst. Denn
mit guten, auch ungewöhnlichen
Filmen wird man nie reich. Höchstens berühmt...
Thomas Klein, April 2001
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